David Gilmour in Pompeji! 45 Jahre nach dem historischen Floyd-Film schrieb der Gitarren-Zauberer gestern (07-JUL) im antiken Amphitheater wieder Musikgeschichte: 23 Klassiker, eine 360-Grad-Licht-Show rund um eine doch minimalistische Bühne, nur 2.000 Fans, Schwarzmarktpreise bis 5.000 Euro und The Great Gig In the Sky als Tourpremiere. Die WEGOTIT-Kritik.
Die Setlist war, wie erwartet, annähernd die gleiche wie bei seinem Wien-Triumph vor Schönbrunn und doch war gestern (07-JUL) alles anders: nicht nur der Rahmen (nur 2.000 Fans im antiken, seit Jahrhunderten brachliegendem Amphitheater von Pompeji), nicht nur das Datum (der 10. Todestag von Floyd-Gründer Syd Barrett), sondern auch die Show-Bedingungen: die Bühne war – sofern das Floyd-Verhältnisse zulassen – spartanisch: es gab kein Dach, nur ein Gerüst für den berühmtem 12-Meter-Rundbildschirm “Mr. Screen”.
Dafür gab’s quer durch das Amphitheater eine 360-Grad-Rundum-Licht-Show, ein Dutzend Kameras (die beiden Pompeji Konzerte werden für eine DVD mitgeschnitten) Feuerstellen und den bedrohlichen Vesuv im Hintergrund. Ein Blick – und ein Konzert – für die Ewigkeit. David Gilmour in Pompeji – das war der heilige Gral für alle Pink Floyd-Fans und mit Sicherheit eines der speziellsten Konzerte aller Zeiten. WEGOTIT war live dabei.
Man erinnert sich: Vom 04. bis 07-OKT-1971 nahmen Pink Floyd im antiken römischen Amphitheater von Pompeji den wohl bekanntesten Musikfilm aller Zeiten auf: Pink Floyd @ Pompeii – sechs Klassiker wie Echoes,One Of these Days oder Careful with That Axe, Eugene gepaart mit römischen Mosaiken und Lava-Strömen. Ein einstündiges Konzert ganz ohne Publikum. Nur ein kleiner Bub konnte sich damals einschleichen, ist am Video nicht zu sehen.
Jetzt 45 Jahre später kehrte Gilmour wieder an die nicht nur für Pink-Floyd-Fans so historische Stätte zurück und spielte dort als allererster Künstler überhaupt (!) vor Publikum. Nur zwei Konzerte für je nur 2.000 Fans wurden ihm von italienischen Kulturminister Dario Franceschini höchstpersönlich gestattet. Alles freilich zu einem feudalen Preis: 366 Euro kosteten die begehrten Tickets (es gab nur Stehplätze!) im Vorverkauf. Bis zu 5.000 Euro wurde dafür am Schwarzmarkt bezahlt. Der Zugang erfolgte durch eine bedrohlich engen 10-Meter-langen Gang- Doch jeder Schritt und jeder Cent war es wert: lieferte Gilmour schon vor Schönbrunn ein Konzert für die Ewigkeit so war in Pompeii die Kombination aus Sound, Ausblick und historischer Stätte einfach magisch.
Vom Opener 5 A.M. bis zum Finale Comfortably Numb knallte Gilmour ebenso ehrfürchtig wie erhaben ein doch deutlich überarbeitetes Rattle That Lock Set in das antike Oval. Die Bühne war dabei so spartanisch wie zuletzt 1974: Es gab kein Dach, keinen großen Firlefanz und epochales Zusammenspiel auf engstem Raum. Dafür wurde das komplette Amphitheater mit hunderten Spots in 360 Grad Beleuchtung gesetzt. Mit ein Grund warum Gilmour in Pompeji erst um 21 Uhr und somit um eine Stunde später als in Wien startete. Dadurch kamen schon bei Rattle That Lock der Begleitfilme so richtig zur Geltung.
Nach Faces of Stone dann die erste wirkliche Überraschung: Gilmour stimmt nicht, wie bei allen vorangegangen Konzerten der seit September 2015 laufenden Rattle That Lock Tour den Klassiker Wish You Were Here, sondern gleich What Do You Want From Me? an.
Noch größer die Verblüffung der 2.000 ehrfürchtig lauschenden Fans, denen allesamt bewusst war, dass sie bei einem Stück Musikgeschichte live dabei sind, als Gilmour nach The Blue sogar The Great Gig In The Sky anstimmte – eine Tourpremiere (!) als spannendes Vocal-Zusammenspiel seiner drei Background-Sänger(innen.) „Das war ein Song von Rick Wright. Jetzt kommt einer über ihn“ erklärt ein überraschend redseliger Gilmour nach der verbalen Verbeugung vor Pompeji („Das ist schon etwas besonderes. So viele Geister unserer Vergangenheit leben hier“) als Intro zu A Boat Lies Waiting.
Danach kam dann doch Wish You Were Here und der direkte Übergang zum nächsten Überhit: Money, das von Konzert zu Konzert experimenteller erklingt. Danach brach Gilmour erneut mit der Standard-Tour-Setlist und ging gleich in das von Zeichentrick-Kriegfilmen begleiteten In Any Tongue über. Somit verzichtete er auf Us And Them, denn mit High Hopes samt 1994er Tourfilm ging es in die Pause, bei der rund um das Oval von Gilmours Licht-Designern sogar Feuerstellen gelegt wurden.
Auch Part 2 startete mit einer Überraschung: nicht wie erwartet Astronomoy Domine, die exakt an dessen 10. Todestag doch so passende Homage für Floyd-Gründer Syd Barrett, sondern doch One Of These Days eröffnete die musikalisch noch stärkere zweite Hälfte. Ein Song den Gilmour ja schon 1971 in Pompeji performte! Es sollte allerdings der einzige „Original-Pompeji-Song“ bleiben, auch weil Gilmour nach der großen Floyd-Hitparade Shine On You Crazy Diamond, Fat Old Sun und – mit leichten Stimmproblemen dargeboten – Coming Back to Life die immer lauter werdenden Rufe des Publikums nach Echoes negierte und nach On an Island sogar den Publikums-Sing-Along der legendären Echoes-Zeilen „Overhead the albatross. Hangs motionless upon the air. And deep beneath the rolling waves. In labyrinths of coral caves“ nur mit einem Lächeln quittierte. „Das war Schön. Vielen Dank. Darf ich euch jetzt meine Band vorstellen…“
Business as usual mit einem doch schmerzvollen Hintergrund wie er danach im Rolling Stone Backstage Interview verrät. „Ohne Rick Wright gibt’s kein Echoes. Das kann und werde ich ich nicht mehr spielen“
Und so ging’s eine Sensations-Show nach den Solo-Ausflügen rund um Today und den Jazz-Langeweiler The Girl In The Yellow Dress doch „nur“ mit dem tradtionellen Finale zu Ende: Sorrow, Run Like Hell – samt dem bewährten Stroboskop-Exzessen und neuem Feuerwerk, Time/Breathe und die Licht-und Laser-Orgie zu Comfortably Numb. Ein Konzert für die Ewigkeit – zum Glück wurde es auch für eine Live-DVD mitgeschnitten.
Das war die Setlist in Pompeji (07-JUL-2016):
5 A.M.
Rattle That Lock
Faces of Stone
What Do You Want From Me *
The Blue
The Great Gig In the Sky *
A Boat Lies Waiting
Wish You Were Here *
Money *
In Any Tongue
High Hopes *
Pause
One Of These Days *
Shine On You Crazy Diamond *
Fat Old Sun *
Coming Back To Life *
On an Island
The Girl in the Yellow Dress
Today
Sorrow *
Run Like Hell *
Zugaben:
Time *
Breathe (Reprise) *
Comfortably Numb *
* Pink Floyd Song