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Waters Wut ist zu groß für Wien

Pink Floyd Chef Roger Waters liefert mit This Is Not A Drill die wütendste Show aller Zeiten. WEGOTIT war beim Tourstopp in San Francisco und kennt die bittere Wahrheit: Es gibt zwar eine Europa-Tour, aber kein Wien-Konzert! Die Stadthalle ist für Waters zu Klein.

„Wenn sie einer dieser „Ich liebe Pink Floyd, aber ich halte Rogers Politik Ansichten nicht aus“ Typen sind, dann können sie sich gleich zur Bar vertschüssen“ – starke Vorab-Warnung für ein brisantes, zorniges und Hochpolitisches Konzert. Pink Floyd Mastermind Roger Waters liefert unter dem Motto This Is Not A Drill die wütendste Show aller Zeiten. WEGOTIT war beim Tourstopp in San Francisco live dabei.

Vom Opener Comfortably Numb, der jetzt als eindringlich-reduzierte Powerballade erklingt, bis zum Finale Outside The Wall nimmt sich Waters weit über zwei Stunden lang kein Blatt vor dem Mund. Er liefert nicht nur Hits, gleich 17 davon aus dem für 500 Millionen Dollar gehandelten Backkatalog seiner Ex-Band Pink Floyd, sondern noch mehr Aufregung. Die a’la Ed Sheeran als „in the Round“ konzipierte Protest-Show This Is Not A Drill (Z.Dt. Das ist keine Übung) setzt auf große Töne, große Anklagen und eine große Plakative Bildsprache. Über der in der Hallenmitte aufgebauten offenen Bühne mit Stegen und Treppen thront ein Kreuzförmiger, 10 Meter Hoher und 20 Tonnen schwerer Mega-Screen, den Waters vor allem für geleakte Drohnen- und Kriegs-Filme, sowie eindringliche Parolen nützt. „Regiert die Welt“ oder „Fickt die Obdachlosen“ heißt es gleich zu Beginn bei der von Hubschrauber-Geräuschen und Suchscheinwerfern begleiteten Hymne Another Brick In the Wall, während zur Solo-Rarität The Powers That Be die tödlichen Opfer von Polizei-Gewalt wie George Floyd gezeigt werden und bei The Bravery Of Being Out Of Range u.a. Ronald Reagan, Barack Obama und natürlich Donald Trump als „Kriegsverbrecher“ angeprangert werden.

Die Tour war von Waters ja als Gegenveranstaltung zum Trump Wahlkampf 2020 konzipiert, musste aber dann wegen den weltweiten Corona-Konzert-Stopps um zwei Jahre verschoben werden. Zeit die Waters trotzdem nicht ungenützt lies: Mit The Bar, „das auf CD auf 15 Minuten ausgedehnt werden wird“, stellt er einen brandneuen und bis dato unveröffentlichten Song vor. Eine als Piano-Ballade dargeboten Textlawine rund um eine „Wohlfühloase“ bei der Waters auch die Schicksale einer Obdachlosen Frau und einer Luxus-Lady verbindet.

Danach entführt er die 18.000 Fans im Chase Center tief in der Vergangenheit seiner Rekord-Band. Ein wütendes Have A Cigar, der ewige Mitsing-Klassiker Wish You Were Here, den er als Video-Homage an Syd Barrett gestaltet und die raren Parts VI-IX von Shine On You Crazy Diamond, wo er von einem Drogen-Delirum in den Abbey Road STudios berichtet berichtet. Mit dem zehnminüten Epos Sheep, zu dem auch das ferngesteuerte Schaf Brian durch die Halle fliegt, setzt er den musikalisch wertvollen Schlusspunkt hinter den ersten Akt.

Nach der Pause lässt er dann die Sau raus. Uns das im wahrsten Sinne. Minutenlang kreist das berühmte riesige Plastikschwein, diesmal u.a. mit dem Aufdruck „Fuck the Poor“ verziert, durch die Halle. Dann fallen dutzende schwarze Vorhänge mit dem berühmten Logo der gekreuzten Hammer von der Hallendecke. Ein an den
Nürnberger Reichsparteitag gemahnendes Szenario für In The Flesh bei dem Waters als täuschend echte Hitler-Persiflage mit SS-Uniform im Stechschritt aufmarschiert und auch mit einer Maschinengewehr-Attrappe um sich fetzt. „Gibt’s einige Paranoide in der Halle?“ fragt er zu Run Like Hell um dabei auf die eindringlichen „iKill“-Visuals der Wall-Tournee zurück zu greifen.

Auch mit Déjà Vu, dem leider einzigen Solo-Überbleibsel der US+Them-Tournee, bleibt er hochpolitisch und lässt Sprüche wie „Befreit Julian Assange“, „Sperrt die Mörder ein“ oder „Fickt das Höchstgericht“ auf die Megascreens projizieren. Die mit Luxusgütern, Drogen und Waffen untermalte Frage Is This The Life We Really Want? ist die Überleitung zum großen Hit-Countdown: Money, das zu einer formidablen Jam-Session ausartet, Us And Them, Any Colour You Like und das berühmte Darkside-of-the-Moon-Finale Brain Damage/Eclipse, zu dem Waters rund um den Screen auch noch eine Reihe an überdimensionalen Licht-Pyramide erstrahlen lässt.

Zur Zugabe Two Suns In The Sunset, einer Floyd-Rarität aus dem 1983er Abschieds-Album The Final Cut, erzählt er die eindringliche Geschichte der Doomsday Clock („Wir stehen so kurz vor einem Nuklearen Krieg wie nie zuvor. Es ist keine 90 Sekunden vor 12. Biden und Putin müssen jetzt endlich mit einander reden, damit dieser unsinnige Ukraine Krieg endlich beendet werden kann. Es muss dafür eine diplomatische Lösung geben!“) um dann noch eine weiteren Auszug aus The Bar mit „von Bob Dylan ausgeborgten Ideen ud Worten“ anzustimmen. Mit Outside The Wall, wo auch die neun-köpfige Band rund um Gilmour-Ersatz Dave Kilminster vorgestellt wird, geht man im Gänsemarsch und unter tosendem Applaus quer durch die Fans ab. Eine eindringliche, eine schwer verdauliche, aber auch eine unglaubliche packende und wichtige Show.

Ab März tourt Waters damit durch Europa. Nur Österreich-Konzert gibt es dabei leider keines. So wie schon bei The Wall (2011) ist die Stadthalle zu klein bzw. die Waters-Produktion zu groß und vor allem zu schwer. Es wird echt Zeit, dass Wien eine neue Zeitgemäße Konzerthalle bekommt.

Das war die Setlist in San Francisco (23-SEP-2022):
Comfortably Numb
The Happiest Days Of Our Lives
Another Brick In The Wall (Part 2)
Another Brick In The Wall (Part 3)
The Powers That Be
The Bravery Of Being Out Of Range
The Bar, Part 1
Have A Cigar
Wish You Were Here
Shine On You Crazy Diamond (Parts VI-IX)
Sheep

In The Flesh
Run Like Hell
Déjà Vu
Déjà Vu (Reprise)
Is This The Life We Really Want?
Money
Us And Them
Any Colour You Like
Brain Damage
Eclipse

Zugaben:
Two Suns In The Sunset
The Bar, Part 2
Outside The Wall



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