21 Hits in 100 Minuten als bizarre Kostümshow – dazu Busenblitzer und starke politische Worte. Lady Gaga begeistert vor ihrem Wien-Stop am 2. November schon gestern (16-SEP) beim Tourstart in Istanbul 22.000 Fans mit ihrer schrillen ArtRave: The Artpop Ball-Show. Die WEGOTIT-Kritik.
Bizarr verkleidete Tänzer, eine in Teletubbies-Häuschen versteckte Band, Lichtblitze und Hektische Pop-Rhythmen fetzten durch die türkische Nacht – plötzlich schreiten zwei Diener auf die Bühne, mit gar Übersinnlicher Last auf der Schultern: ein mit Plüschflügerln und blauem Glas-Babybauch verziertes blondes Alien. Lady Gaga ist auch bei ihrer vierten Tournee die Weltmeisterin der Maskerade und liefert gleich zum Opener ARTPOP einen bizarren Grenzganz zwischen Pop, Oper und Theater. Begleitet von einem dutzend Tänzerinnen schreitet sie über verwinkelte Bühne-Stege, legt schließlich auf einem Eisberg (!) die Flügel ab. Das Alien ist zum allerersten Mal in ihrer Karriere in Istanbul gelandet und versteift sich zu G.U.Y. im ITU Stadyumu vor 22.000 Fans (nur Dreiviertel-Voll!) erstmal auf Jackson-artigen Ausdrucks-Tanz. Sowie nicht ganz jugendfreien Nahkampf mit einem halbnackten Tänzer. Dazu gibts die erste von hunderten Liebesbekundungen: „Istanbul! Ich fucking liebe euch!“ Für Donatella zieht sie einen durchsichtigen Plastik-Regenmantel über, zeigt dazu am Megascreen eine bunte Modeschau und kreischt ständig „Get on your fucking feet“ – und wieder und wieder „Istanbul! Ich fucking liebe euch!“
Nach belanglosen musikalischem Zwischenspiel eröffnet sie den zweiten Act Venus in knappen BH, Minist-Slip und mit Amy-Winehouse-artiger Perücke. Dazu werden bei den Hallen-Konzerten auf der Bühne riesige Alice-im Wunderland-artige Neon-Plastik-Blumen hochgefahren und die Konfetti-Kanone gezündet. In Istanbul, bei der einzigen Open Air Show der Europa-Tour, gibt’s stattdessen eine besondere Liebesbekundung: „I’m so happy to be with you assholes tonight!“ kreischt Gaga und stimmt begleitet von zwei grimmig-blickenden Gitarristen Venus als beeindruckende Acapella Version an, liefert dann MANiCURE mit Tina-Turner-Stimmvermögen und Hardrock-Rhythmus. Lässt sich dabei im Bürosessel über die Bühne chauffieren. Für Just Dance schnallt sie sich im weißen Mini-Kleidchen ein Keyboard in Seepferchen-Form (!) um und bei Poker Face (war in Österreich 2009 unglaubliche 12 Wochen lang Platz 1) reißen ihr Tänzer mit Alien-artigen Neon-Geschwüren das Kleid vom Leib.
Einer Laser-Orgie als Zwischen-Spiel folgt der Act Partynauseous. Dafür hat sich Gaga zum Hit Paparazzi, der in einer eigenartigen Slow-Motion Version dargeboten wird, ein rosa Plastik-Octopus-Kostüm (!) umgeschnallt. Bei Do What U Want streift sie die Octopus-Montur ab (In Wien wird sie dabei auf überdimensionalen Glas-Hand thronen). Für den Megahit Yoü and I, das In Istanbul seit langem wieder das fast schon Opernhafte Dope ersetzte, begibt sie sich wieder ans Klavier. Stimmt ihn dort ganz ohne Band und Brimborium, dafür aber mit unglaublich viel Gefühl, Witz und Können an. Das Musikalische Highlight das endlich Gagas wahre Klasse demonstriert. Ein Geniestreich, der nach mehr schreit. Und wirklich: Gaga pickt einen glückliches Mädchen aus dem Publikum und lässt es neben sich am Piano Platz nehmen. Singt für sie, ebenso epochal wie faszinierend und unplugged, Born this Way. Spart dabei nicht mit politischer Botschaft: „Man hat mir vorher gesagt, dass ich in diesem Land nicht alles sagen darf. Aber darauf geschissen! Ich widme diesen Song allen türkischen Gay-Aktivisten. Denn es ist hier extrem schwierig diese Liebe auszuleben. Aber ich bin eine von euch: die schwule türkische Lady Gaga!“ Ständig Ovations der 28.000 Fans! Doch Gaga verschwindet viel zu schnell wieder im Bühnenboden um dem Musikalischen, wie Sozial-Kritischen Highlight wieder ein ebenso austauschbares, wie belangloses Zwischeninferno folgen zu lassen.
Für Act vier, Jewels N’ Drugs zwängt sie sich dann in hautenge Latex-Hose, knappen BH und Neon-Grüne Perücke. Bei The Edge Of Glory kriecht sie auf allen Vieren über die Bühne und pickt während Aura Fan-Geschenke und -Briefe auf. Die liest sie vor und lädt die Absender dann sogar zur Aftershow-Party ein! Bei Sexx Dreams rekelt sie sich mit ihren Tänzern auf einem roten Lotterbett. Das hat man zuletzt bei Miley Cyrus schon besser gesehen. Bei Alejandro gibt’s wieder Jacksons Massen-Tanz. In Wien wird das am Steg in mitten der Fans passieren.
Für den letzten Act Ratchet wird sie gleich mitten auf der Bühne (!) von drei Stylisten umgezogen. Zeigt dabei den nackten Busen! In schriller Manga-Comix-Kostümierung samt Neon-Zöpfen und Hinterseer-Moonboots (!) tanzt sie zum Schlussfurioso durch Bad Romance, Applause und Swine. Bei letzterem lässt sie ihre Tänzer Schweine-Masken tragen, zeigt den Finger und robbt dann grunzend auf allen Vieren von der Bühne.
Zur Zugabe kommt sie im langen weißen Brautkleid und stimmt nochmal am Klavier Gipsy an. Nach 100 überladen Konzertminuten folgt die Schlussverbeugung. Und ein letztes „Istanbul, ich fucking liebe euch!
Das war die Setlist in Istanbul (26-SEP-2014):
ACT: artRAVE Intro
ARTPOP
G.U.Y.
Donatella
ACT Venus:
Venus
MANiCURE
Just Dance
Poker Face
Telephone
ACT Partynauseous:
Paparazzi
Do What U Want
Yoü and I
Born This Way
ACT Jewels N’ Drugs:
The Edge of Glory
Judas
Aura
Sexxx Dreams
Alejandro
ACT Ratchet:
Bad Romance
Applause
Swine
Zugabe:
Gypsy
