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Dylan liefen in Wiesen die Fans davon

Nur ein Hit (Blowin’ In The Wind) und der bis zur Unkenntlichkeit verstellt. Das
Sinatra-Cover Full Moon and Empty Arms, kein Bühnen-Licht, eine Pause (!) und sogar zwei Sätze ans Publikum (!!). Bob Dylan befriedigte gestern (26-JUN) in Wiesen bestenfalls die Enthusiasten, ließ aber viele Fans vorzeitig flüchten. Die WEGOTIT-Kritik.

Ober meiner, unter meiner siach i nix. I hear nix und i spür nix – der Arik Brauer Klassiker Sein Köpferl im Sand als Synonym für Bob Dylan in Wiesen. Die Legende zeigte sich gestern (26-JUN) einmal mehr als kauzigster Grenzgänger der Musikgeschichte. Zu sehen gab es wenig: Dylan versteckte sich die knapp 100 Konzert-Minuten unter sieben Mini-Scheinwerfer von Grablicht-Finsternis im Halbdunkel. Zum hören gab’s das seit Jahren übliche: ein Gekrächze zum Zehennägeln-Aufdrehen. Alles in allem nicht unbedingt ein Stimmungs-Bringer oder gar etwas von Herzlichkeit. Trotzdem lauschten zu Beginn knapp 6.000 Fans mit Andacht. Wenn nicht gar mit Verblendung.

Vom Opener Things Have Changed, zu dem er erstmals ohne der legendären Eröffnungs-Ansage “Ladies and gentlemen — Columbia recording Artist Bob Dylan” auf die gespenstisch dunkle Bühne schlürfte, bis zur zweiten Zugabe Love Sick spielte Dylan mit einer bewundernswerten Konsequenz vorbei an allen Publikums-Wünschen, wenn nicht gar Branchengesetzen. Hits gab’s bis auf die Zugabe Blowin’ in the Wind keine. Große Gesten auch nicht. Dylan klopfte entweder stoisch aufs Piano ein (Duquesne Whistle) oder krächzte Klassiker a’la She Belongs to Me im Stehen. Die Texte waren dabei kaum verständlich. Warum er dafür trotzdem gleich vier Mikrophone (!) benötigte wird ebenso ein Rätsel bleiben wie die Wahl der Vorgruppe (der heimische Casting-Show-Sänger Thomas David).

Nachdem Dylan im 27. Jahr seiner Neverending-Tour bei den vorangegangenen Europa-Konzerten für jede Menge Überraschungen sorgte, gab’s in Wiesen mehr oder weniger die selbe Setlist wie zuvor in Bamberg oder Ljublijana. Auch die etwas eigenartige Pause.

Neu war nur das Frank-Sinatra-Cover Full Moon and Empty Arms aus der aktuellen CD Shadows in the Night und – das gab’s bislang noch nie – sogar eine Ansage. “We gonna leave the Stage for a Minute or two. We will be right back!” krächzte er vor der Pause. Die Dylan Enthusiasten erstarrten darob fast vor Ehrfurcht, dem Gros des Publikums wäre nur irgendeiner seiner unzähligen Klassiker a’la Knockin’ on Heaven’s Door, Mr. Tambourine Man, Like a Rolling Stone, Don’t Think Twice, It’s All Right, The Times They Are a-Changin’ oder It Ain’t Me, Babe wohl lieber gewesen. Kein Wunder, dass Hunderte vorzeigt das Konzert verließen und somit den einzigen, bis zur Unkenntlichkeit verstellten Hit, Blowin’ In The Wind, gar nicht mehr mitbekamen.

Das war die Setlist in Wiesen (26-JUN-2015):
Things Have Changed
She Belongs to Me
Beyond Here Lies Nothin’
Workingman’s Blues #2
Duquesne Whistle
Waiting for You
Pay in Blood
Tangled Up in Blue
Full Moon and Empty Arms (Frank Sinatra Cover)
Pause
High Water (For Charley Patton)
Simple Twist of Fate
Early Roman Kings
Forgetful Heart
Spirit on the Water
Scarlet Town
Soon After Midnight
Long and Wasted Years
Autumn Leaves (Yves Montand cover)
Zugaben:
Blowin’ in the Wind
Love Sick



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