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David Bowie: ‘Ich denke und lebe in der Gegenwart’

Happy Birthday David Bowie! Das Musik-Genie über Sex, Drugs & Rock N’ Roll. Der WEGOTIT Interview-Klassiker aus dem Jahr 1997.

Sie sind seit 32 Jahren im Musik-Business …
Bisher hat noch niemand gesagt, daß ich damit aufhöen sollte (lacht) Es könnte schon andere Berufe gegeben haben, die mich interressiert hätten. Ich hätte gerne Architektur studiert oder Kunstgeschichte und es würde mich auch interessieren, ob ich nicht einen vernünftigen Lehrer abgegeben hätte. Aber alles in allem bin ich mit meinem Lebensweg doch sehr zufrieden.

Bereuen Sie denn keinen einzigen Punkt Ihrer Karriere?
Keineswegs: All das war ein Lehrbeispiel, wie zerbrechlich, verletzlich und verblödet ein einzelner Mann sein kann.

Fühlen Sie sich als Musik-Ikone?
Nein ich sehe mich eher als Musik-Ironiker. Für mich ist es künstlerische Fügung den Bogen von Zeit zu Zeit zu überspannen, aber das ist für andere Leute sicher nicht gesund.

Trotzdem sieht man Sie nach wie vor als Opinion-Leader der Rockmusik …
Es ist schon sehr wichtig für mich, dass ich ich einen gewissen Effekt auf das Musik-Business hatte und noch immer habe. Noch wichtiger allerdings erachte ich, dass ich nicht an einzelnen Songs, sondern als Gesamt-Künstler gemessen werde.

Außer Ihnen, Brian Eno und U2 gibt’s in der aktuellen Pop-Szene kaum noch große Vordenker. Fast scheint es als wären der Musik die Trendsetter verloren gegangen…
Ich bin nach wie vor Optimist, was die Zukunft der Popmusik angeht – ich glaube nicht, daß ihr wirklich jemals die Ideen ausgehen werden. Es gibt immer neues Blut, weil neue Bands nachrücken. Die bringen neue Ansätze und Aspekte ins Pop-Business ein. Natürlich gibt es Perioden der Ruhe. Weniger turbulente Zeiten in denen wenig Senationelles passiert. Ich glaube aber, wir sind dabei dieses kreative Vakuum jetzt zu überwinden.

In den 80ern verdammten sie das Queen-Duett Under Pressure als „wertloses Demo“. Nun dient es Ihren Konzerten als netter Hit-Aufputz …
Under Pressure war eines dieser Dinge, wo man sich im Nachhinein immer fragt: wie ist das eignetlich zustande gekommen? Ich besuchte Queen im Studio, man plauderte, trank Kaffee und plötzlich findet man sich in einem kreativen Prozess wieder. Ich persönlich hätte das ganze etwas anderes aufgenommen und abgemischt, aber ich bin glücklich, daß ich es nun singen kann.

Bereuen Sie, daß es nie zum Under Pressure Live-Duett mit Freddie Mercury gekommen ist?
Nein, ich empfinde deshalb keinerlei Bedauern. Vielmehr bin ich glücklich, daß ich es nun singen kann.

Wie stehen Sie zum Klischee Sex, Drugs & Rock ‘N’ Roll?
Es freut mich bekannt zu geben, daß mein Sexleben nach wie vor hyperaktiv ist. Im Rock ‘N’ Roll habe ich mich nie zu wohl gefühlt: Ich mache eher Poupär-Musik. Und Drogen spielen in meinem Leben absolut keine Rolle mehr. Das habe ich bereits vor zehn Jahren eingestellt.

Wie definieren Sie „Populär-Musik“?
In meinem Fall sollte ich es wohl eher „Un-Populär-Musik“ nennen (lacht.) Aber ich habe eine pansiche Angst vor der Definition Rock, denn verglichen mit Pearl Jam oder Bush biete ich doch höchstens 60 Prozent Rock-Musik. Man sollte es vielleicht ganz anders nennen. Post-Rock zum Beispiel.

Somit sind Sie ein Post-Rockstar…
Ich glaube das sagt man von mir schon seit Jahrzehnten (lacht)

Fühlen Sie sich von der Öffentlichkeit mißverstanden?
Nein, aber umso älter ich werde, desto weniger weiß eigentlich ich, was ich tue. Ich glaube ich agiere durchwegs in einer Art luftleeren Raum.

Gibt es für Ihre Zweitband Tin Machine noch eine Zukunft?
Für die Hälfte davon schon. Reeves Gabrels und ich werden auch weiterhin zusammen Musik machen. Aber es gab zu große persönliche Differenzen innerhalb der Band. Etwas das mich sehr traurig stimmt und etwas über das ich nicht öffentlich sprechen sollte. Aber diese Band hatte riesige Probleme.

Warum verkaufen Rock Rock-Opas wie Sie, die Stones oder Pink Floyd noch immer mehr Platten oder Konzert-Tickets als die aktuelle Konkurrenz?
Das Geheimnis unseres andauernden Erfolges liegt in der Generation der 30- bis 40jährigen. Die versuchen mit allen Mitteln und auf einem sehr naiven Level ihre Jugend wieder aufleben zu lassen. Durch die ironische Magie der Musik wollen sie ihrer eigenen Vergangeheit wieder einen Sinn geben. Und deshalb profitieren Rockdinosaurier wie die Stones, Pink Floyd und eben auch ich von dieser Nostalgie-Welle.

Wie stehen Sie zu Ihrem Sexsymbol-Status?
Da gibt es bloß eine legitime Antwort: Die Leute, die das behaupten müssen allesamt total verrückt im Kopf sein (lacht).

Seit 5 Jahren sind Sie mit Supermodel Iman verheiratet. Inwiefern hat diese Ehe Ihr Leben verändert?
Die sieben Jahre die wir beiden nun zusammen sind, ist eigentlich das erste Mal, dass ich mein Leben mit jemanden auf solch Level teile. Erst durch Iman wurde mir bewußt, dass eine lebenslange Partnerschaft wirklich möglich ist. Und das ist die schwierigste Entscheidung, die man in seinem Leben machen kann. Denn trifft man einmal die falsche, dann ist man really fucked. Und ich weiß wovon ich spreche: Meine Ehe mit Angie war ein Riesen-Irrtum.

Sie sind nun 50. Alt oder Jung?
Schon mein Vater meinte, daß man sein Alter nicht beschreiben kann. Dem muß ich zustimmen. Ich habe vielleicht noch 20 Jahre zu leben, der Großteil meines Lebens ist somit hinter mir, aber gerade das erleichtert die Sache ungemein. Dieses Wissen um einen Abschlußtag nimmt einem die ganze Last von den Schultern.

Leben Sie nun unter Zeitdruck, wenn Sie den Großteil Ihres Lebens bereits hinter sich sehen?
Ganz im Gegengteil, man geht die Dinge langsamer an. Dafür aber mit mehr Fokus. Dem ganzen Leben werden neue Dimensionen gesetzt. Ein verlorener Tag ist für mich jetzt somit wirklich ein verlorener Tag. Aber ich denke nicht an die Zukunft. Und ich denke nicht an die Vergangenheit. Ich denke und lebe nur in der Gegenwart.

Denken Sie ans aufhören?
Als Live-Musiker manchmal. Die Tourneen werden immer angstrengender, dazu habe ich Angst vor dem Langweiligkeits-Faktor. Ich könnte die Zeit viel besser nutzen: Zum Malen, zum Aufnehmen oder als Produzent.



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